Nach der (Natur)Katastrophe

Als Beitrag zum hessenweiten Aktionstag „Ein Tag für die Literatur“ lud der Verein „Zwei Raben: Literatur in Oberhessen“ am 25. Mai zur Matinee mit Literaturgespräch ein. Im Atelier des Otto-Ubbelohde-Hauses in Goßfelden wurden die zahlreichen Zuhörer von Ludwig Rinn, Vorstand der Ubbelohde-Stiftung und Vorstandsmitglied von „Zwei Raben“, begrüßt und auf die Lesung eingestimmt. Zu Gast war die Berliner Autorin Anne Reinecke, die aus ihrem 2024 erschienenen Roman „Hinter den Mauern der Ozean“ las. Das Literaturgespräch moderierten Erika Schellenberger, 1. Vorsitzende von „Zwei Raben“ und Gabriela Ociepa, Gründungsmitglied des Vereins.

„Es gibt keinen Anfang. Es gibt kein Ende.

Wir sind die Ewigen. Es gab uns immer. Es wird uns immer geben. Wir sind an den Ort gebunden. Der Ort ist an uns gebunden. Es gab ihn immer. Es wird ihn immer geben. Wir garantieren ihn. Er garantiert uns. 

Es gibt keinen Anfang. Es gibt kein Ende.“

Mit diesem um sich kreisenden Anfang, der wie ein Chor aus einer antiken Tragödie klingt, vermochte die Autorin die Zuhörer und Zuhörerinnen gleich zu fesseln. Nach und nach wurde das Publikum in die Textwelt hineingeführt: Der Handlungsort ist Berlin, vielmehr das, was von ihm in ferner Zukunft nach einer nicht näher erklärten Flutkatastrophe übrig blieb. Eine bis in den Himmel hineinragende Doppelmauer schließt es ein und schützt vor den Wellen. Das intakte Museumsberlin steht dem ungesicherten Gebiet mit Trümmern der früheren Bebauung gegenüber. In dieser Landschaft bewegen sich die (austauschbaren) Ewigen; drei Männer, Friedrich, Wilhelm, Alexander und zwei Frauen, Else und Lola. Die Jüngste unter ihnen, Lola, erzählt die Geschichte.

Jeden Sommer beteiligen sich die Ewigen, eine Mischung aus Heiligen und Dienern, für zwei Wochen an „Erinnerungsritualen“ und führen die mit Schiffen ins Kernberlin beförderten Fremden durch die Zeitgeschichte, die in die intakten Bauten eingeschrieben ist.

Friedrich und Lola planen seit längerer Zeit eine Flucht, sie bauen an einem Ballonboot und horten Vorräte.

Das lebhafte Dreier-Gesprächder Autorin mit den beiden Moderatorinnen zwischen den Leseblöcken bewegte sich um die weißen Flecken in Lolas Weltbild, Bedeutung der Namen, zahlreiche Anspielungen an die Geschichte Berlins, um Verbindungen zwischen realistischem und mythischem Erzählen, Bedürfnis nach Idylle und um die Poetik des Rätselhaften; es lieferte dem konzentriert lauschenden Publikum Anregungen für Einzelgespräche mit der Autorin, die nach der Lesung bei Sekt und Knabbereien rege geführt wurden.

Der Büchertisch der Buchhandlung Jakobi stieß auf großes Interesse : Gerne ließen sich die Zuhörer den Roman von Anne Reinecke signieren.

Eine gelungene Literaturveranstaltung, die dem Publikum den aktuellen utopischen Roman näher gebracht hatte.

Gabriela Ociepa

 

Dankbar verweisen wir auf den Bericht von Sabine Jackl „Schöneres Leben jenseits der Mauern? Matinee mit Literaturgespräch: Anne Reinecke las im Goßfeldener Otto-Ubbelohde-Haus“, der in der OP vom 28. Mai 2025 erschienen ist.