In den letzten Jahren hatte der Verein Glück mit dem Wetter und von Beginn war bei allen Veranstaltungen strahlender Sonnenschein ein Programmpunkt. In diesem Jahr sollte es mal anders sein, aber es tat der Lesung und dem Gespräch keinen Abbruch. Gebannt und verzaubert hörten die rund 100 Besuchenden der Moderatorin Erika Schellenberger, die für den erkrankten Thomas Hettche einsprang, und der Autorin zu.
Mit ihrem Buchtitel „Die Unschärfe der Welt“, 2020 mit zahlreichen Preisen bedacht, ist Iris Wolff einem großen Publikum bekannt geworden. „Vor dem Hintergrund der eigenen Familiengeschichte einer deutschsprachigen Minderheit im ehemals kommunistischen Rumänien, verbinden ihre Romane auf virtuose Weise das Dokumentarische mit poetischer Eleganz“, so die Jurybegründung.
Iris Wolff las aus "So tun, als ob es regnet", kein Buchtitel hätte passender sein können an dem Tag. Wolff erläuterte, dass dies ein Sprichwort aus Siebenbürgen sei. Sie habe als Kind immer so getan, als ob sie ihre Mutter nicht höre und musste mehrmals angesprochen werden, damit sie reagierte. Und dies bedeute auch das Sprichwort. In ihrem Roman in vier Erzählungen erzählt sie über vier Generationen des 20. Jahrhunderts und vier Ländergrenzen hinweg, wie historische Ereignisse die Lebenswege von Einzelnen prägen. Zwischen Freiheit und Anpassung, Zufall und freiem Willen erfahren ihre Protagonisten: Es gibt Dinge, die zu uns gehören, ohne dass wir wüssten, woher sie kommen. Und es gibt Entscheidungen, die etwas bedeuten, Wege, die unumkehrbar sind, auch wenn wir nie wissen werden, was von einem Leben und den Generationen vor ihm bleiben wird.
Erika Schellenberger las mit Erlaubnis der Autorin, aus deren Bewerbungsschreiben vor. Da sie in Marburg Kunst und Malerei studiert habe, freue sie sich besonders auf die literarische Auseinandersetzung mit dem hiesigen Maler und mit der wundervollen Landschaft. Dies bestätigte Schellenberger sogleich, denn beim Einzug Wolffs in die Künstlerwohnung habe sie aus dem Fenster geschaut und einfach nur "Wow" gerufen, obwohl es sich nicht um die Alpen oder andere Naturereignisse handelte, sondern schlicht um eine Wiese in Oberhessen.
Die Natur hat auch die vorherigen Stipendiat*innen schon inspiriert. Vor allem das Rauschen der Pappeln, die je nach Wind, ihre eigne Musik spielen, haben es ihr angetan. Einige der Pappeln sind von Otto Ubbelohde selbst noch angepflanzt worden. Wir dürfen gespannt sein, mit welchem Motiv oder Aspekt Ubbelohdes sich Iris Wolff in den nächsten drei Monaten beschäftigt.
Musikalisch wurde die Lesung von Tim Riemenschneider und Band begleitet.