Bereits im fünften Jahr vergibt der Verein „Zwei Raben: Literatur in Oberhessen“ dreimonatige Aufenthaltsstipendien im ehemaligen Atelier- und Wohnhaus des Malers Otto Ubbelohde. Das Stipendium ist mit 7.500 Euro dotiert und stellt den Schriftstellerinnen und Schriftstellern eine großzügige Wohnung mit Blick ins Lahntal zur Verfügung.
In diesem Jahr hat die Jury, die unter dem Vorsitz Thomas Hettches stand und der die Autorin Alissa Walser, der Literaturkritiker Christoph Schröder, die Vereinsvorsitzende Erika Schellenberger-Diederich und der Vorsitzende der Otto-Ubbelohde-Stiftung Ludwig Rinn angehörten, aus über 60 Bewerbungen Bettina Hartz und Norbert Hummelt ausgewählt.
Aus der Begründung der Jury:
Mit der Textprobe aus ihrem Debütroman „Rot ist der höchste Ernst“ hat Bettina Hartz die Jury beeindruckt. In einer kunstvoll verdichteten Sprache verbindet Bettina Hartz Privates und Politisches, vermeintliche Fakten und Erfundenes. Das Buch zieht seine Leser in traumatischen Kriegserlebnisse hinein, bietet aber zugleich auch Auswege an, die in der Literatur selbst liegen. Bettina Hartz‘ neues Arbeitsvorhaben verspricht eine anregende Mischung aus modernem Nature Writing und dem utopischen Ausblick auf eine postkapitalistische Welt. Die Jury ist überzeugt, dass Bettina Hartz dieses Wagnis meistern kann.
Den betörenden Klang der Verse Norbert Hummelts vergisst niemand, der sie einmal gehört hat. In ihrer Virtuosität kann man den weiten Weg erahnen, den der 1962 in Neuss geborene Hummelt bei seiner so beharrlichen wie anmutigen Neuaneignung der poetischen Tradition zurückgelegt hat. Ist die Natur beseelt? scheint er, bei aller modernen Skepsis, erneut zu fragen. Und ist es der Mensch? Die Jury ist erfreut, Norbert Hummelt das Ubbelohde-Haus in den Lahnauen bei Marburg als idealen Zwischenstopp auf seinem Weg anbieten zu können.
„Ein Literaturprojekt von Bettina Hartz heißt ‚Poesie auf dem Rad‘, das passt ganz hervorragend in unsere Gegend und mit dem bekannten Schriftsteller Norbert Hummelt kommt ein Rheinländer aufs Land nach Oberhessen, um im Ubbelohde-Haus ganz in Ruhe zu schreiben. Das freut mich natürlich besonders. Ich bin sehr zufrieden mit unserer Auswahl!“, betonte Vorsitzende Erika Schellenberger-Diederich nach der Entscheidung.
Bettina Hartz ist Schriftstellerin, Fotografin und arbeitet als freie Kulturjournalistin. Ihr vielseitiges Werk, für das sie zahlreiche Preise und Stipendien erhielt, umfasst Drehbücher, Theaterstücke, Prosa und Lyrik. 2007 erschien die Erzählung „Nicht viel.“ 2012 veröffentlichte sie mit „Auf dem Rad – Eine Frage der Haltung“ eine Poetik und Kulturgeschichte des Radfahrens. „Rot ist der höchste Ernst“ ist ihr Debütroman. Bettina Hartz zieht am 1. April in die Künstlerwohnung ein und wird dort bis Ende Juni leben und arbeiten.
Norbert Hummelt lebt als freier Schriftsteller in Berlin. Für sein lyrisches Gesamtwerk wurde er 2021 mit dem Rainer-Malkowski-Preis ausgezeichnet. Er übertrug T.S. Eliots Gedichtzyklen „Das öde Land“ und „Vier Quartette“ neu ins Deutsche. Bei Luchterhand erschienen zuletzt seine Gedichtbände „Fegefeuer“ und „Sonnengesang“. Norbert Hummelt verweilt ab dem 9. September für drei Monate in Goßfelden.
Hintergrund
Der Verein Zwei Raben: Literatur in Oberhessen hat es sich zum Ziel gesetzt, die Region zwischen Lahn und Ohm, von der schon Rainer Maria Rilke schwärmte und in der Peter Kurzeck und Paulus Böhmer lebten, wieder stärker ins literarische Bewusstsein bringen. Mit Unterstützung des Hessischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst, des Landkreises Marburg-Biedenkopf und der Gemeinde Lahntal und der Sparkasse Marburg-Biedenkopf vergibt der Verein jährlich zwei dreimonatige Aufenthaltsstipendien im ehemaligen Atelier- und Wohnhaus des Malers Otto Ubbelohde in Goßfelden bei Marburg.
Bisherige Stipendiaten waren: Marion Poschmann, Christoph Peters, Marcus Braun, Sandra Burkhardt, Olga Martynova, Paul-Henri Campbell und Iris Wolff.
Die Texte, die in Goßfelden entstanden, sind 2020 unter dem Titel „Rabenbetrachtungen - Notizen aus dem Ubbelohde-Haus“ im Verlag Das Wunderhorn, Heidelberg, erschienen.