Autorenstipendien 2024 vergeben: Wenn Fabulierkunst auf Familiengeschichten trifft

Der Verein „Zwei Raben: Literatur in Oberhessen“ vergibt seine beiden diesjährigen Autorenstipendien im Ubbelohde-Haus in Goßfelden an Franzobel und Andreas Schäfer

Drei Monate leben und arbeiten die Schriftsteller in der Wohnung im ehemaligen Atelier- und Wohnhaus des Malers Otto Ubbelohde im Lahntal in Goßfelden. Das Stipendium ist mit jeweils 7.500 Euro dotiert.

Aus mehr als 60 Bewerbungen hat die Jury ausgewählt: Franzobel, der von Juni bis September und Andreas Schäfer, der von September bis Dezember, in der Künstlerwohnung einzieht.

Mit ihren kulturhistorischen Themen passen beide Autoren ganz wunderbar ins Ubbelohde Atelierhaus. Besonders freue ich mich darauf, mehr über die unerschrockene Polarforscherin Josephine Peary zu erfahren, die uns Franzobel vorstellen wird.“, schwärmt die Vorsitzende Erika Schellenberger von der Entscheidung.

In der Begründung der Jury heißt es:

Der Oberösterreicher Franzobel schreibt seit den 90er Jahren Theaterstücke, Prosa und Lyrik und jagt dabei seine Leser mit überschäumender Fabulierlust in allen Gattungen durch pikareske Textwelten voller Verrücktheit, Ausschweifungen, Schoten, Skurilitären und Blasphemien. Sein Sprachvermögen sprengt jeden Logik- und Erzählzusammenhang. Doch Franzobel ist ein ernster Schelm, der dies stets im Sinne der Freiheit tut, die nötig ist zur Erkenntnis, beispielhaft und eindrücklich etwa in seinen Romanen „Das Floß der Medusa“ und „Einsteins Hirn“.

Andreas Schäfer, Schriftsteller und Journalist u.a. für Süddeutsche Zeitung, Tagesspiegel und Zeit, umkreist in den fünf Romanen, die er seit 2002 publiziert hat, mit feiner Genauigkeit und immer zunehmender literarischer Virtuosität das Thema Familie, und er findet dabei ganz unterschiedlichen Zugänge. Familie ist ihm wahlweise Tatort, Identitätsmarker oder Erinnerungsaufgabe. „Die Schuhe meines Vaters“, seine essayistisch-erzählende Vater-Sohn-Auseinandersetzung, hat die Kritik völlig zurecht mit den Meisterwerken des Genres von Joan Didion, Julian Barnes und Philip Roth verglichen.

Der Jury gehörten, unter dem Vorsitz des Schriftstellers Thomas Hettche, die Autorin Alissa Walser, der Literaturkritiker Christoph Schröder, die Vereinsvorsitzende Erika Schellenberger und Ludwig Rinn, Vorsitzender der Otto-Ubbelohde-Stiftung an.

Die Texte, die bisher von den Autor*innen in Goßfelden geschrieben wurden, sind in den Bänden „Rabenbetrachtungen I und II im Verlag Das Wunderhorn erschienen.

Die bisherigen Stipendiaten waren Marcus Braun, Sandra Burkhardt, Paul-Henri Campbell, Bettina Hartz, Norbert Hummelt, Olga Martynova, Marion Poschmann, Christoph Peters, Iris Wolff.

Der Verein Zwei Raben: Literatur in Oberhessen hat es sich zum Ziel gesetzt, die Region zwischen Lahn und Ohm, von der schon Rainer Maria Rilke schwärmte und in der Peter Kurzeck und Paulus Böhmer lebten, wieder stärker ins literarische Bewusstsein zu bringen. Mit Unterstützung des Hessischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst, des Landkreises Marburg-Biedenkopf, Sparkasse Marburg-Biedenkopf und der Gemeinde Lahntal vergibt der Verein jährlich zwei dreimonatige Aufenthaltsstipendien.